Das soll ein Malkurs sein?!“ – Wenn Pinterest auf Realität trifft
- creisert

- 30. Okt.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Nov.
Willkommen im Malatelier. Drei Stunden Zeit, ein Acrylbild, das aussieht wie vom Algorithmus persönlich kuratiert – und ein Hauch von künstlerischer Selbstüberschätzung. Was kann da schon schiefgehen?
Die große Illusion: „Ich hab da ein Bild im Internet gesehen…“
Es beginnt harmlos. Die Malschüler trudeln ein, bewaffnet mit einem Ausdruck oder Screenshot eines Bildes, das sie „unbedingt genauso“ malen wollen. Meist ein Sonnenuntergang über Lavendelfeldern, ein verträumter Waldweg oder – der Klassiker – ein Boot auf spiegelglattem Wasser. Alles natürlich in perfekter Pinterest-Ästhetik. Und warum? Weil das Bild „schön“ ist. Und weil das eigene Bild ja bitte auch „schön“ werden soll. Schließlich hängt man sich ja nichts Hässliches ins Wohnzimmer.
Drei Stunden bis zur Meisterschaft
Dann geht’s los. Die Pinsel werden gezückt, die Farben auf die Palette gedrückt, der Ehrgeiz auf Anschlag. Der Kunstlehrer erklärt kurz was von Komposition, Farbauftrag und Lasurtechnik – aber wer hört schon zu, wenn das Ziel klar ist: Das Bild muss fertig werden. In drei Stunden. Punkt. Denn man hat ja bezahlt. Und wehe, es sieht am Ende nicht aus wie das Original. Dann war der Kurs nämlich „Mist“.
😤 Wenn die Realität zuschlägt
Nach der ersten halben Stunde beginnt das große Seufzen. Die Farben verlaufen nicht wie geplant, der Himmel sieht aus wie ein Schlumpf-Massaker, und das Boot erinnert eher an eine matschige Aubergine. Die Stimmung kippt. Erste Kommentare fallen:
„Das ist doch Mist!“
„Das sieht doch nicht schön aus!“
„Das ist nicht meins…“
Man spürt förmlich, wie der innere Kritiker mit dem Pinsel um die Wette stichelt. Und der Kunstlehrer? Der bleibt erstaunlich ruhig. Fast schon zen. Er sagt Dinge wie: „Es geht um den Prozess.“ Oder: „Ein gutes Bild braucht Zeit.“ Und mein persönlicher Favorit: „Lass das Bild atmen.“ – Was in etwa so gut ankommt wie ein Meditationskurs auf einem Heavy-Metal-Festival.
🧘♂️ Der wahre Feind: Die Ungeduld
Was viele nicht hören wollen: Malen ist kein IKEA-Regal. Es gibt keine Schritt-für-Schritt-Anleitung mit garantiertem Happy End. Ein Bild entsteht. Es entwickelt sich. Es widersetzt sich. Und manchmal will es einfach nicht so, wie man selbst will. Und genau da beginnt der eigentliche Lernprozess – nicht beim perfekten Ergebnis, sondern beim Scheitern, beim Übermalen, beim Loslassen.
Aber wer will das schon hören, wenn man sich auf Instagram schon beim Aufhängen des fertigen Kunstwerks sieht?
🖌️ Fazit: Malen ist kein Wunschkonzert
Ein Acrylmalkurs ist keine Schönheits-OP fürs Ego. Es ist ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Wer mit der Erwartung kommt, in drei Stunden ein Meisterwerk zu schaffen, wird vermutlich enttäuscht. Wer aber bereit ist, sich auf den Prozess einzulassen, wird vielleicht nicht mit einem perfekten Bild nach Hause gehen – aber mit einem ehrlichen. Und das ist am Ende doch viel mehr wert als jedes Pinterest-Original.
Und hey – der Wunsch, dass das eigene Bild „schön“ wird, ist absolut verständlich. Natürlich will man etwas schaffen, das man gerne anschaut, das stolz macht. Aber vielleicht liegt die wahre Schönheit nicht im perfekten Ergebnis, sondern im Mut, sich auf etwas Neues einzulassen. In der Freude am Tun. Im Stolz, drangeblieben zu sein, auch wenn’s zwischendurch „Mist“ war.
Denn genau da beginnt Kunst: nicht bei der Vorlage, sondern bei dir.

Kommentare